Reformation in Zwickau

Thomas Müntzer kommt nach Zwickau

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts investierte die Kirche große Kräfte darin, die Jenseitsfurcht der Menschen zu schüren. Die meisten strebten nach verschiedensten Möglichkeiten rasch das Seelenheil zu erlangen, das die Errettung nach dem Tode aus dem Fegefeuer mit sich brachte. Dafür verlangte die Kirche von ihren Gläubigen finanzielle Unterstützung für Altäre, Seelenmessen oder die Alten- und Krankenpflege – kurz: der Ablasshandel blühte. Diese „Angebote“ gab es auch im wirtschaftlich erstarkten und bevölkerungsreichen Zwickau. Die Einwohnerschaft war jedoch sozial sehr unterschiedlich gestellt, sodass nicht jeder in der Lage war, die finanziellen Mittel für gute Taten und damit das persönliche Seelenheil aufzubringen.

Bereits im Februar 1519 verfasste der Lehrer der Lateinschule, Georgius Agricola, ein Epigramm, dass er öffentlich anschlug und in dem er die Situation scharf verurteilte. Sinngemäß schrieb er, wenn die Seele tatsächlich nur durch das Klingen der Münze im Ablasskasten errettet werden könnte, dann wäre der Arme ein wahrhaft unglücklicher Mensch, da er sich so nie rein waschen könnte und folglich bis in alle Ewigkeit im Fegefeuer brennen müsste.

Schon die reformnahen Prediger Egranus (St. Marien) und der Franziskaner Myconius sprachen offen gegen den Ablasshandel, sodass sich die Abwehrhaltung der Bürger gegen Rom manifestierte.

Die Reformation nimmt ihren Lauf

Als Egranus 1520 zu einer Reise nach Süddeutschland aufbrach, folgte der Rat der Stadt einer Empfehlung Martin Luthers und holte den jungen Reformer Thomas Müntzer an die Marienkirche. Bereits in seiner ersten Predigt griff der junge Mann die Franziskanermönche deutlich stärker an, als dies sein Vorgänger getan hatte. Die Stimmung zwischen beiden Lagern spitzte sich in den darauffolgenden Monaten deutlich zu.

Im Sommer 1520 hatten die Auseinandersetzungen schließlich ihren Höhepunkt erreicht. Eine kurfürstliche Kommission empfahl die Absetzung Müntzers und die Rückkehr Egrans an die Marienkirche. Die Ratsherren verteidigten ihn jedoch.

Im September des gleichen Jahres bot man ihm jedoch die Predigerstelle an St. Katharinen an und bemühte sich Egranus an die Marienkirche zurück zu holen.

Durch Thomas Müntzers Wirken in den Jahren 1520/21 schritt die Spaltung zwischen der Bürgerschaft und dem Rat der Stadt fort. Was auch an der veränderten Sozialstruktur der Katharinengemeinde lag. Vornehmlich Tuchmacher und andere Handwerksmeister, deren Gesellen sowie Mägde, Lehrlinge aber auch Ortsfremde verfolgten regelmäßig Müntzers Predigten. Er hatte zu einem großen Teil das kleine und mittlere Bürgertum der Stadt unter seiner Kanzel. Mit der Rückkehr Egrans entbrannte ein heftiger Streit zwischen beiden Geistlichen, der die wachsende Radikalisierung innerhalb des Bürgertums nur noch befeuerte.

Durch den wiederholten Ausbruch der Pest, den viele als Strafe Gottes deuteten, wurden die Diskussionen in Schul-, Kirchen- und Sozialpolitik weiter verstärkt. Nachdem der Marienthaler Pfarrer Niklas Hofer die Katharinengemeinde als ketzerisch gescholten haben soll, entlud sich der ganze Zorn der Bürger auf ihm. Müntzer rief von der Kanzel herab zu Vergeltung auf, in deren Folge Hofer fast zu Tode gesteinigt wurde. Die Unruhen erlangten einen neuen Höhepunkt als der Rat die sozialen Forderungen der Tuchmacher ablehnte. Vor diesem Hintergrund erstarkte eine radikale Gruppe unter Nikolaus Storch – die Zwickauer Propheten. Ruhe kehrte zwischen den verfeindeten Lagern nicht mehr ein.

Verhärtete Fronten – die Reformation setzt sich durch

Nachdem Altbürgermeister Dr. Erasmus Stüler (genannt Stella) im April 1521 verstorben war, gewannen die gemäßigteren Kräfte im Rat der Stadt die Macht und entließen, um der öffentlichen Ordnung Willen, Thomas Müntzer am 16. April des gleichen Jahres aus all seinen Ämtern. Egranus verließ ebenfalls die Stadt.

Der dem gemäßigteren Lager zugewandte Nikolaus Hausmann wurde im Mai 1521 erster evangelischer Pfarrer. Im Dezember verhörte er selbst die Mitglieder der Zwickauer Propheten. Deren Anführer, Nikolaus Storch, sowie weitere Mitglieder entzogen sich einem Urteilsspruch durch ihre Flucht.

Am 16. März 1522 stürmten aufgebrachte Bürger den Grünhainer Klosterhof.

Daraufhin lud der Rat der Stadt Martin Luther persönlich nach Zwickau ein. Der Reformator predigte zwischen dem 30. April und 2. Mai 1522 insgesamt viermal in der Stadt und stärkte damit die gemäßigteren Kräfte um Bürgermeister Hermann Mühlpfort und Laurentius Bärensprung sowie den Stadtschreiber Stephan Roth. Gemeinsam mit Pfarrer Nikolaus Hausmann reformierten sie zudem das kirchliche Leben. 1525 waren die katholischen Zeremonien endgültig abgeschafft – die Reformation hatte sich in Zwickau durchgesetzt. In den folgenden sechs Jahren versuchten die Ratsherren ihre Machtposition zu festigen, dazu war es nötig, dass er das alleinige Recht erhielt, freie Pfarr- und Predigerstellen zu besetzen – gegen die Rechte der Gemeinden und den Anspruch des Landesherren. Auf Anregung Nikolaus Hausmanns bat Luther den Kurfürsten  Johann den Beständigen (1525-1532) eine landesweite Kirchen- und Schulvisitation anzuordnen. Der erste Artikel des Visitationsprotokolls besagte demnach, dass weder der Pfarrer dem Rat der Stadt in seine Geschäfte hinein reden dürfe noch umgekehrt. Über diese Rechtskämpfe zerbrach letztlich auch die Freundschaft zwischen Luther und den Zwickauer Ratsherren.

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